Tennis – 2. Spieltag 2. Herren 30
Drei Dinge haben dazu beigetragen, dass sich mein Frustrationslevel nach dem Auftakt gegen Grosshadern wieder auf ein für mein Umfeld erträgliches Maß reduziert hat: Sieben Tage Zeit sowie das Verfassen eines therapeutisch wirksamen Artikels, in dem ich meine traumatischen Erlebnisse noch einmal verarbeiten konnte. Den größten Anteil jedoch hatte mein Mitspieler Hani, der im sanften aber allwissenden Tonfall von Mister Miyagi per WhatsApp schrieb: „4:5 ist immer noch das bestmögliche Ergebnis im Falle einer Niederlage“. Ich habe dieses Zitat umgehend für den Konfuzius-Award 2019 eingereicht.
Somit startete ich so frohen Mutes wie es mein Charakter eben zulässt zum ersten Heimspiel der Saison gegen den TC Siemens München. Angesetzt war der Spielbeginn auf 14:00 Uhr, Treffpunkt um 13:15, Ankunft meiner Mitstreiter bis 13:28, Beginn der ersten Runde zwischen 14:15 und 14:45. Grund dieser Verzögerung war, dass die ersten und zweiten Damen ihre Partien von 9 Uhr noch nicht beendet hatten und wir uns zudem auch noch mit den parallel zu uns startenden 3. Damen über die frei werden Plätze einig werden mussten (was allerdings sehr unproblematisch verlief). Dass überhaupt eine Chance auf Plätze bestand, lag ohnehin nur daran, dass die 3. Herren 30 bereits im Vorfeld ihr Heimrecht aufgegeben hatten und nach Vaterstätten ausgewichen waren; an dieser Stelle noch einmal vielen Dank dafür. Somit waren eigentlich auch weder die ersten noch die zweiten Damen der Grund für die Verzögerung, sondern der Umstand, dass wir zu wenig Tennisplätze im Verein haben. Und ja, lieber Hackl, du hast Recht: um 20:30 waren tatsächlich vier Plätze frei; das ist halt nur ein bisschen spät, um mit dem Punktspiel anzufangen.
Aber es war ja nicht alles schlecht. Zumindest konnten wir die Situation nutzen, um auf der Terrasse schonmal den ersten Sonnenbrand einzusammeln und die Damen bei ihren Doppeln zu unterstützen. Dort kamen wir gerade rechtzeitig, um Jule dabei zu beobachten, wie sie sich zu beherrschen versuchte, nicht ihre beiden Gegnerinnen aufzufressen, weil diese gerade einen Aufschlag aus gegeben hatten, dessen weißen Abdruck auf der Linie man selbst nach dem Abziehen noch sehen konnte. Einen solch hasserfüllten Blick habe ich zuletzt bei Daenerys Targaryen gesehen; zum Glück für alle Beteiligten hatte Jule keinen ihrer Drachen dabei.
Deutlich dramatischer wurde es allerdings 15 Minuten später, als sie derart mit dem Fuß umknickte, dass sie sich vermutlich vier der drei Außenbänder abgerissen hat. Den nachvollziehbaren Schmerzensschrei hätte das Klinikum Großhadern eigentlich ausreichend informieren sollen, umgehend einen Krankenwagen loszuschicken. An dieser Stelle nochmal gute Besserung! Und der guten Erziehung meiner Eltern sein gedankt, dass bei diesem Unglück nicht mein erster Gedanke war: „Ah, da wird der Einser jetzt wohl frei“.
Nach und nach bekamen wir unsere ersten drei Matches aber dann aufs Parkett und konnten dabei vor einer Rekord-Kulisse von bis zu 12 Zuschauern auflaufen (namentlich: Flo, Kevin, Enno, Tino plus Freundin, Melli, Cindy und die Freundin meines Gegners, sowie partiell Nele, Nadja, Marie und Wolfi). Dabei sei erwähnt, dass durch Wolfis Anwesenheit Henrik, Steffen und Daniel an einem Spieltag bei Wacker schon mehr reine Hockey Spieler im Publikum erleben durften, als während ihrer gesamten Laufbahn beim MSC. Ebenso lobend hervorheben möchte ich die Reisegruppe „Lilly“, die eine Stimmung verbreitete, von der die Jungs in der Allianz Arena nur träumen können. Evtl. sollten die da auch mal überlegen, das Bier in Stiefeln auszuschenken.
Von dieser Euphorie getragen konnten Steffen auf dem Center Court und Hani im Käfig souveräne Siege einfahren. Lediglich ich hatte mehr Mühe mit meinem Gegenspieler, da er zwischenzeitlich mit 300 Kilometern pro Stunde aufschlug; also teilweise auch ins Feld, was ihn deutlich von anderen Spielern in unserer Liga unterschied. Was mir schließlich jedoch zum Sieg verhalf, war einerseits die Tatsache, dass zwar auch seine Vorhand im dreistelligen km/h-Bereich lag, diese jedoch mit erhöhter Fehlerquote behaftet war. Andererseits basiert dieser Triumpf eindeutig auf der Arbeit unseres Trainers Wänää, für den ich hier kurz eine kleine Fanpost hinterlassen möchte.
Werner trainiert uns jetzt in der zweiten Saison und ist noch ein Mann der alten Schule: Ballanspiel aus dem Korb begleitet von intrinsisch vorgebrachtem Gemurmel „gut, gut, schwingen, gut, mehr ziehen, gut, vor, gut, gut, …“. Dabei ist es völlig unerheblich, wer gerade was für einen Ball gespielt hat oder ob überhaupt jemand einen Ball gespielt hat. Ich glaube, Werner steht so auch an der Kasse im Supermarkt, wenn dir Kassiererin die Artikel über den Scanner zieht: „gut, gut, durchziehen, gut, …“. Aaaaber: Werner macht super Übungen und er ist in der Lage durch gezielte Korrekturen das Spiel jedes Einzelnen zu verbessern. Durch eine leichte aber effektive Anpassung meiner Aufschlagbewegung konnte Werner unter der Woche meine Doppelfehleranzahl von ca. 30 gegen Grosshadern auf ziemlich genau 3 gegen Siemens reduzieren. Dafür: Danke Werner!
In der zweiten Runde griffen dann Henrik, Leo und Daniel ins Geschehen ein, wobei es beim Tennis ein ungeschriebenes Gesetz gibt: Das Match, das als letztes beginnt, dauert immer am längsten. Daran wollte auch Leo nicht rütteln, rang seinen Gegenüber aber schließlich mit 7:5 und 6:2 nieder. Henrik und insbesondere Daniel absolvierten ihr Programm deutlich schneller, allerdings gab Daniel später zu Protokoll, dass ihm sein eigener Auftritt teilweise sehr unangenehm war, weil er exakt ALLES getroffen hat. Teilweise habe er nicht mehr gewusst, ob er sich freuen, sich wundern oder sich entschuldigen sollte.
Mit einem 6:0 im Rücken gingen wir entspannt in die Doppel, die wir mit Henrik und mir, Steffen und Daniel sowie Hani und Manu, der für Leo ins Team rutschte, besetzten. Letzt genannte hatten etwas mehr mit sich und dem Gegner zu kämpfen, konnten sich schlussendlich aber durchsetzen. Deutlich glatter lief es bei Henrik und mir. Das beste Doppel aber spielten erwartungsgemäß Steffen und Daniel. Das liegt sicher auch zu einem Teil daran, dass Steffen mit einer völlig anderen Größenordnung an Motivation auftritt als der Rest von uns. Steffen möchte nicht einfach nur gewinnen; Steffen möchte der Geschichte seinen Stempel aufdrücken; quasi einen Fußabdruck hinterlassen; je größer, desto besser; gemessen in CO2. Ich habe jetzt nicht ganz genau verstanden, was er beruflich macht; er nuschelte verschämt etwas von „Wirtschaftsberatung“ vor sich hin, was im öffentlichen Ansehen ja bekannter Maßen irgendwo zwischen Drogendealer und Frauenhändler rangiert. Wirklich skandalös ist aber, dass sein Unternehmen ihn zwingt, eine 500 PS-Schleuder mit entsprechenden Abgaswerten zu fahren. Aber, und das muss man Steffen wirklich hoch anrechnen, er versucht das Fahrzeug der Umwelt zuliebe möglichst selten zu nutzen. Häufig weicht er daher lieber aufs Flugzeug aus; Egal, ob nun nach London, Frankfurt oder zum Shoppen ins Outlet nach Ingolstadt. Aber unterm Strich mögen wir Steffen trotzdem. Denn bis auf die Tatsache, dass er überragend Tennis spielt, passt er super ins Team.
Leider stellte unser 9:0 Erfolg mannschaftsübergreifend an diesem Sonntag eher die Ausnahme dar. Sowohl die ersten als auch die zweiten Damen unterlagen denkbar unglücklich 4:5, was zwar einerseits Jules verletzungsbedingte Aufgabe noch ärgerlicher macht, als sie ohnehin schon ist, anderseits aber auch immerhin das bestmögliche Ergebnis im Falle einer Niederlage darstellt. Nur bei den dritten Damen besteht noch Hoffnung auf einen Sieg; da gingen lediglich die Meinungen über das Endergebnis auseinander; teamintern wohlgemerkt; es schwankte zwischen 4:2 und 3:3. Immerhin konnten die ausgewanderten 3. Herren 30 ebenfalls einen verlustpunktdreien Sieg einfahren, was mich insbesondere für den gelungenen Einstand von Debütant David Heinsdorf freut.
Mein Team beflügelte dieser Sieg auch sogleich, den inneren 1.FC Köln rauszukehren; ein Verein, dessen Anhänger umgehend mindestens die internationalen Plätze als Saisonziel ausgeben, sobald der erste Sieg eingefahren wurde; egal, an welchem Spieltag das auch passieren mag. Denn als im Ergebnisdienst auftauchte, dass Großhadern dieses Wochenende verloren hatte, schallte es sogleich aus mehreren Richtungen: „Mensch, Schammes, da können wir ja doch noch aufsteigen!“
Schammes