Tennis – 6. Spieltag 2. Herren 30
Da hinten wird’s schon heller!
Technische Innovationen sind häufig Fluch und Segen zugleich. In meinem Fall spreche ich von der Smartphone App „Spielerplus“, mit der wir unsere Termine wie Trainings und Spieltage organisieren. Sie dient in erster Linie mir, um abschätzen zu können, wen ich an welchem Spieltag zur Verfügung habe. Allerdings steht diese Information natürlich in gleichem Maße auch meinen Mitspielern zur Verfügung, was dann gerne zur privaten Wochenendplanung genutzt wird. So sah ich mich vor der Begegnung mit Kaufering zwischenzeitlich mit vier Ich-würde-dieses-Wochenende-dann-mal wegfahren-arbeiten-privat-anderweitig-verbringen-denn-ihr-seid-ja-Genugs konfrontiert. Rein quantitativ war das auch vollkommen korrekt, rein qualitativ sah das jedoch ganz anders aus, denn unter Berücksichtigung auch aller weiteren Absagen hätte ich plötzlich an Eins auflaufen müssen. Welch absurde Idee das wäre, ist auch für Menschen offensichtlich, die unsere Ergebnisse nicht konstant verfolgen. Glücklicher Weise sah das auch Leo sofort ein und bot an, seinen Heimaturlaub um einen Tag zu verschieben. Um dieses großzügige Angebot nicht ausnutzen zu müssen, fragte ich trotzdem noch bei Henrik an, ob er sich evtl. trotz Familienbesuch für ein Einzel zur Verfügung stellen könnte. Am Ende sagten dann Henrik und Leo zu, so dass ich zumindest auf Position Drei rangierte, was zwar immer noch ca. vier Positionen zu hoch ist, aber die Tendenz zumindest stimmte.
Das Team vervollständigten Daniel, Hani und David. Der letzte Woche von seiner Tenniskarriere zurückgetretene Marko wurde fürs Doppel reaktiviert. Dieser Stand hatte traditionell bis Freitag Abend bestand. Dort erreichte mich das Gesuch von Daniel, lieber nicht spielen zu wollen, da er von seinem Arbeitgeber übers Wochenende unverhältnismäßig viele Hausaufgaben auf bekam. Somit wurde der letzte Woche von seiner Tenniskarriere zurückgetretene Marko für Einzel und Doppel reaktiviert. Ersatzmann für Henrik im Doppel hingegen fiel auf Herrn vakant. Aber bis zu den Doppeln am Sonntag waren es ja beinahe noch 48 Stunden; das sollte also kein Problem werden. Die ersten Absagen handelte ich mir noch Freitag abend ein, ein paar weitere gesellten sich über den Samstag dazu.
Zumindest von Stephan Köhler bekam ich die Aussage, dass er absolut keine Zeit hätte, ein Doppel zu spielen, weil er zeitgleich auf den Kunstrasen ein wichtiges Hockeytraining leiten müsse. Er würde nur für den absoluten Notfall mal Tennissachen einpacken. Das wertete ich als Zusage.
Der Sonntag begann dann mit Regen und den damit in direktem Zusammenhang stehenden 80 WhatsApp-Nachrichten: „Spielen wir heute?“, „Macht das Sinn?“, „Wollen wir nicht verlegen?“, „eigentlich passt mir heute eh nicht so“, „ich finde meine Socken nicht“. Üblicherweise beantworte ich dies mit einer Nachricht, die sinngemäß bedeutet „jetzt geht mir nicht auf den Sack und schwingt euren Arsch zum Platz, woher soll ich denn wissen, wie das Wetter wird?!“ formuliert mit „ich würde vorschlagen, wir treffen uns jetzt mal und dann sehen wir weiter“. Da dieses Mal unter den Anfragenden allerdings auch der Gegner war, der nachvollziehbarer Weise wissen wollte, ob sich die Anreise aus dem fernen Kaufering lohnen würde, musste ich mich mit der Sachlage auseinander setzen. In normalen Vereinen reicht dazu ein Blick aufs Regenradar. Mit unseren fünfeinhalb Plätzen kommen da allerdings noch diverse weitere Parameter dazu: Wer spielt noch alles heute? Gegen wen? Wie stark sind die Gegner? Wie lange wird es voraussichtlich dauern? Wie war die Wetterlage bei denen? Wie weit könnten sie hinterm Zeitplan hängen?
Nachdem ich also den Großteil des Samstags auf den Hockeyplatz verbrachte und plante, den gesamten Sonntag Nachmittag auf dem Tennisplatz zu verweilen, nutzte ich nun unter großem Beifall meiner Freundin den Sonntag Vormittag, um zu klären, wie sich der Sonntag Nachmittag gestalten ließe. 45 Minuten, 120 WhatsApps und 8 Telefonate später, während der ich die 1. und 2. Damen sowie die 3. Herren 30 kontaktierte und gleichzeitig bereits einsetzenden Auflösungserscheinungen des eigenen Teams entgegenwirkte, war ich um folgende Erkenntnisse reicher:
– Wetter war instabil mit positiver Tendenz vorhergesagt
– Ein Abschluss der Damenteams vor 15:00 Uhr war völlig ausgeschlossen
– Die 3. Herren 30 wollten nach wie vor spielen und hatten mit Damir einen Mann in den eigenen Reihen, der früher weg musste und entsprechend priorisiert bei der Platzvergabe behandelt werden sollte.
Da Henrik das gleiche Schicksal teilte, handelten wir folgenden Koalitionsvertrag aus: Henrik durfte um 14 Uhr auf dem nur für Einzel nutzbaren 4er-Platz anfangen, Damir bekam den nächsten freien Platz und danach würden die frei werdenden Courts abwechselnd den beiden Herren 30 Teams zugeteilt.
Gesagt, getan, Henrik betrat um 14 Uhr den Käfig. Um 14:20 schüttete es dann aus Eimern und Henriks Blick entnahm ich, dass allein ich dafür die Verantwortung trug. Dabei hatten wir einfach Pech, dass sich der Wolkenbruch ausschließlich auf Platz 4 beschränkte, denn sämtliche laufenden Damendoppel ließen sich von den paar Tropfen nicht irritieren.
Was wir hier sehen: 5 laufenden Damen Doppel
Was wir hier nicht sehen: Henrik
Zu diesem Zeitpunkt stand es bei beiden Damen-Teams 4:2 weil sowohl Laura als auch Sanya es vorzogen, ihre Match-Tiebreaks zu verlieren. Insbesondere Sanya möchte ich da aber keinen Vorwurf machen; sie hatte bereits vor diesem Match inklusive Doppel eine Match-Tiebreak Bilanz von 0:3, so dass mit einem Sieg wirklich nicht zu rechnen war. Einzig unverständlich ist für mich, warum sie nach erstem, verlorenen Satz nicht gleich zur Gegnerin geht und gratuliert. Das Ergebnis wäre das gleiche aber man hätte einiges an Zeit sparen können. Ich finde, ein bisschen realistische Selbstreflexion darf man da auch mal erwarten können.
Wie dem auch sei, war es also für beide Mannschaften notwendig, noch ihre jeweils drei Doppel zu spielen, was für die 2. Damen hieß, dass sie das auch noch in zwei Runden absolvieren mussten, da, eventuell habe ich es bereits erwähnt, unsere Gelände nur über 5 Doppel-Fähige Plätze verfügt. Ich versuchte noch auszuhandeln, dass die anderen beiden Doppel sofort abgebrochen würden, sobald das erste erfolgreich war, aber mit dieser Idee konnte ich mich nicht durchsetzen. Mein Appell an den Gemeinsinn verhallte ungehört und wurde von Max philosophisch untermauert mit: „Mangelnde Rücksicht auf Andere. Ein immer größer werdendes Problem unserer Gesellschaft!“
Aber zumindest langweilig wurde es nicht. So tingelte ich von Platz zu Platz, checkte Zwischenstände, plante die nächsten Begegnungen und lief auch immer wieder bekannten Hockeygrößen unseres Vereins über den Weg, die zeitgleich einen Mädchen und Knaben D Spieltag leiteten. Die Kommentare veränderten sich dabei von „Schammes, wann spielst du?“ [Fabi S.] über „Schammes, spielst du immer noch nicht?! Das würde mir ja auf die Nerven gehen!“ [Kathrin W.] bis hin zu „Schammes, warum baut ihr nicht einfach noch 3 Plätze? Dann wäre zumindest auch auf der Hauptversammlung mal wieder was los.“ [Nina S.].
An diesem Tag wurde mir einmal mehr klar, dass wir mehr Schnittstellen zwischen Tennis und Hockey brauchen. Nicht nur, dass es vielen Hockeyspielern (Anwesende ausdrücklich ausgenommen!) vermutlich grad wurscht ist, ob und unter welchen Bedingungen die Tennisleute ihre Punktspiele absolvieren müssen, oder, ob der arme Bobo deshalb bis spät in der Nacht auf uns warten muss, auch der Tenniswelt ist eine selektive Wahrnehmung des eigenen Clubgeländes nicht abzusprechen: „Mir ist kürzlich dieser kleine Kunstrasenplatz dahinten aufgefallen. Gab´s den schon immer?“.
Der Tag verging, die Doppel liefen, und wir wollen niemanden böse Absicht unterstellen, wenn wir feststellen, dass vier von fünf Doppeln in den Match-Tiebreak gingen; auch Sanyas; und der Statistik sowie den voranstehenden, herablassenden Äußerungen des Autors zum Trotz, konnten Carla und sie diesen ungefährdet mit 10:7 zu ihren Gunsten entscheiden. Am Schluss waren sogar beide Damen-Teams siegreich und wir standen bereits um 16:05 Uhr, und somit nur etwas mehr als 2 Stunden zu spät, mit der ersten Runde komplett auf dem Platz.
Richtig konsequent nutze den Tagesverlauf aber nur Max` Kontrahent aus Ramersdorf, der noch vor seinem Einzeln plötzlich vor Burger und Pommes saß. „Dauert ja eh noch bei uns, oder?“
Unseren Gästen hingegen gelang der schwierige Spagat, gleichermaßen sympathisch wie unangenehm als Gegner zu sein. Henrik mühte sich über zwei Stunden (was vermutlich auch meine Schuld war), konnte sich schließlich aber durchsetzen. David an Sechs spielte eine gute Partie, unterlag aber im Match-Tiebreak. Lediglich der reaktivierte Marko erwischte ein Traum-Comeback und siegte glatt mit 6:0 und 6:2.
Die zweite Runde wurde dann noch enger. Den Anfang machte Leo. Bald erkannte ich, dass ein Coach helfen könnte und sich das Fehlen von Knoth und mittlerweile auch Henrik auch neben dem Platz bemerkbar machte; zumal sich Hani weigerte; den zu diesem Zeitpunkt noch aktiven David auf Platz 1 und Leo auf Platz 6 gleichzeitig zu betreuen, obwohl er zuvor Henrik erfolgreich unterstützt hatte.
So hoffte ich einfach aufs Beste, als ich schließlich selber zur Tat schritt. Ich bezog dabei das Geläuf gleich neben Damir, der zwar seiner Eile entsprechend als erster 3. Herren 30 Spieler einen Platz bekam, allerdings an einen Gegner geriet, der offenbar weit weniger Eile hatte. Geschätzt musste sie kurz vor Vollendung von Stunde 3 ihrer Begegnung sein, was mich innerlich ein wenig schmunzeln ließ bis mein Match begann. Ich war nämlich an die europäische Variante von Michael Chang geraten, der jeden Ball mit 12.000 Umdrehungen / Minute 18 Meter weit nach oben zog; auf der Vorhand; die Rückhand war etwas höher. Allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich ans Netz vorrückte. Dann schoss die Kugel mit 300 Sachen an mir vorbei und lächelte mich von gegenüber mit einem Gesichtsausdruck an, dem ich entnahm: „ich kann auch feste, wenn ich will. Ich will nur meist nicht“.
Nach 4:6 sah sich daher der inzwischen siegreiche Leo genötigt, mir zu Hilfe zu eilen.
„Schammes, du machst das jetzt genau wie ich“
„OK, wie hast du es gemacht?“
„Ich habe 10:8 im Match-Tiebreak gewonnen“
„Aha. Ich meinte mehr: mit welcher Strategie soll ich hier spielen? Der Typ löffelt mir JEDEN Ball zurück, ist deutlich sicherer als ich und wenn ich ans Netz gehe, haut er ihn mir um die Ohren. Ich bin ratlos“
Daraufhin bekam ich einen ausgesprochen weisen Rat: „Wenn er sicherer ist als du und auch noch jeden Netzangriff derart an dir vorbei ballert, dann…dann…dann ist er einfach besser als du“.
Aber zumindest gab er mir noch mit auf den Weg, dass ich in der Offensive mein Glück versuchen sollte. Mein Bemühen wurde schließlich mit einem 6:3, 11:9 belohnt. Einziger Wehrmutstropfen war, dass wir aufgrund meines harten Kampfs, den inzwischen selbst spielenden Hani derart vernachlässigten, dass er sich genötigt sah, per WhatsApp-Gruppe nach Wasser zu fragen. Da das beschafft werden konnte, verlief auch sein Match erfolgreich; sogar relativ glatt, was den Spielverlauf aber nur unzureichend wiederspiegelte.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit konnten wir somit auf 5:1 stellen. Meine leicht ironische Frage, ob der Gast bereits seine Doppelaufstellung geklärt habe, wurde glücklicher Weise mit „Ja. Gema Essen, oder?“ beantwortet.
Einzig bedauerlich an dieser Entscheidung war, dass der spontan fürs Doppel angereiste Andreas Rabe somit leider nicht zum Einsatz kam. Ein großes „Danke“ hier noch einmal für die Bereitschaft.
Mit nun 3 Siegen und 3 Niederlagen ist der Klassenerhalt fix, was bei Teilen der Mannschaft allerdings verbucht wird unter: „Verdammt. Wieder nicht aufgestiegen“
Schammes