Hockey – Girl on Fire – Trainingslager der wU12 in Köln

„Du bist ja völlig bekloppt!“. Ein Satz, den ich in meinem Leben schon sehr oft gehört habe, selten aber in derartiger Häufigkeit wie nach meiner Aussage: „Die nächsten 4 Tage fahre ich mit 31 zehn- und elfjährigen Mädels auf ein Trainingslager nach Köln“.

Wobei diese Aussage auch deutlich dramatischer klingt als sie sich in Wahrheit gestaltete, denn es waren nur 29 zehn- und elfjährige Mädels; schließlich sind meine eigene Tochter Marie sowie die kleinere Frau Gemmrig erst neun bzw. acht Jahre alt. Was mich dann auch gleich zum zweiten Punkt der Relativierung bringt: ich war ja auch nicht alleine mit der Horde unterwegs, sondern bildete mit Nadja, Barbara und Ralf ein solides Gespann. Und zu guter Letzt war es eh nur noch unsere Aufgabe, die Reise anzutreten, denn organisiert war vorab bereits alles bis ins Detail durch Dominique; auch an dieser Stelle nochmal einen sehr großen Dank dafür.

So schlug auch gleich Dominiques erster Schachzug voll durch: Treffpunkt gefühlt 4 Uhr Nachts am Münchner Hauptbahnhof; da sind die Tickets billiger und die Mädels zu übermüdet, um bereits auf der Anreise zu randalieren (dass wir zudem keinmal umsteigen mussten und pünktlich zu unserer ersten Trainingseinheit ankommen würden, war ein willkommener Bonus).

So ein Trainingslager in weiter Ferne hat mehrere Zielsetzungen:
– Verbesserung der hockeyspezifischen Technik und Taktik
– Stärkung der sozialen Gemeinschaft als Team
– Knüpfen von Kontakten zu Vereinen außerhalb des üblichen Radius
– und natürlich als reines Erlebnis für die Mädels

Für Punkt 2 wartete im Zug bereits die erste große Hürde, an der selbst viele Erwachsene in dieser Gruppenstärke scheitern würden: Die Mädels durften sich selber auf die 4er-Zimmer verteilen, wenn es ihnen gelänge, dass jede aus der Gruppe mit der Einteilung einverstanden wäre – anderenfalls würde einfach gelost werden. Sofort schnappten sich Louisa und Marie Stift und Zettel und zogen aus, um mit jeder Einzelnen Vorschläge zu erörtern und Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Bereits nach 10 Minuten wurde mir das Endergebnis präsentiert…das dann in den folgenden 75 Minuten noch 4 Mal überarbeitet wurde. Aaaaaber zum Schluss stand eine Verteilung, die 3 Nächte lang funktionierte, wenn man mal von einem kurzen aber satten Krach in einem Zimmer absieht.

Nach den zwei Stunden Training am Nachmittag des Anreisetags, stand mit einer Seilbahnfahrt über den Rhein ein großes touristisches Highlight auf der Agenda. Besonders bemerkenswert war diese Erfahrung für mich, schließlich habe ich meine erste 19 Lebensjahre in Köln verbracht, diese Gondeln aber auf dieser Reise zum ersten Mal bestiegen; so stand meine Freude der der Kinder in nichts nach.
Abgerundet wurde der Tag durch eine echte Sportlermahlzeit zum Abendessen: Nudeln mit Tomatensauce.

Die erste Nacht in der Herberge verlief dann ereignislos, wenn man davon absieht, dass gegen 2 Uhr Barbara vor unserer Tür stand: „Ich brauche den Arztkoffer und Nadja!“. „Beides?!“. „Ja. Ein Kind hat derart Heimweh, dass es hektisch im Zimmer Kreise tigert und auf dem Teppich bereits eine Brandspur hinterlassen hat; außerdem hat es sich ins Waschbecken übergeben“.

Zum Frühstück am nächsten Morgen um 7:30 Uhr schafften es trotzdem alle pünktlich und der Sport rückte wieder in den Vordergrund. Denn an diesem Mittwoch standen bereits die ersten beiden Trainingsspiele gegen Rot-Weiß Köln an, einem Verein, der sowohl bei den Herren als auch bei den Damen in der Bundeligaspitze vertreten ist. Abgemacht waren auf beiden Seiten 2 Teams, so dass Barbara und Nadja mit Trainingsgruppe 2 vorfuhren, während Ralf und ich mit Trainingsgruppe 1 eine gute Stunde später nachfolgten. Bewegt wurde sich innerhalb Kölns mit der Straßenbahn, bzw. korrekter Weise „Stadtbahn“, wie Tara nach 2 Tagen intensiver Recherche berichten konnte, da es sich um eine Kombination aus Tram und U-Bahn handelte. Und alleine diese Fahrten sind mit dieser Truppe ein absolutes Erlebnis: es wird sich keinen Zentimeter bewegt, ohne das Kathas Bluetooth-Box die Papesche Playlist abspielt, die zu meiner großen Freude aus bis zu 3 verschiedenen Songs bestand; aber wenn man die oft genug und laut genug hört…bleiben die immer noch gruselig. Meine autoritäre Ansage, dass dieser Krach aber keinesfalls innerhalb der Bahn abgespielt wird, wurde mit einem leicht überraschten „selbstverständlich nicht“ quittiert, woran sie sich wirklich in beeindruckender Präzision hielten.
Weg zur Haltestelle: Alicia Keys – Girl on fire. Vollgas
Warte an der Haltestelle: Alicia Keys – Girl on fire. Vollgas
Einsteigen in die Bahn: Pause
Aussteigen aus der Bahn, wenn der große Zeh den Asphalt berührt: Alicia Keys – Girl on fire. Vollgas

Allerdings muss sogar ich einräumen, dass die Szenerie, wenn sich 14 Mädels auf dem geräumigen Weg zum Rhein-Energie-Stadion zu einer breiten Menschenkette unterhaken und gemeinsam lauthals „THIS GIRL IS ON FEIIIIJAAAHAHAAA“ grölen, tatsächliche eine sehr bewegende Demonstration geschlossener Mannschaftsleistung darstellt. Einen weitere positive Randaspekt bemerkte Sophie K., die sich nicht singend in der Nachhut neben mir bewegte: „zumindest findet man sie überall wieder.“

Erst auf dem Clubgelände von Rot-Weiß erbat sich Ralf etwas mehr Zurückhaltung, während mir diese Art, dem Gegner gegenüber Präsenz zu zeigen, innerlich schon zusagte; zumindest, solange man später auf dem Platz eine entsprechende Leistung abliefert; und das, das kann ich vorwegnehmen, taten sie.
Durch einige Ausfälle bei Rot-Weiß wurde aus deren zwei Teams leider ein Mixed-Team, das für unsere Trainingsgruppe 2 dann doch deutlich zu stark besetzt war. Aber auch für die Trainingsgruppe 1 war die Aufgabe im wahrsten Sinne eine große, lag der Durchschnitt in Puncto Körpergröße auf Kölner Seite immerhin bei geschätzten Ein Meter Zweiundachtzig; wir hingegen haben mit Lara und Emily zwei Leistungsträgerinnen im Kader, die in meiner Jugend noch umsonst ins Phantasialand gedurft hätten. Aber, Körpergröße allein ist beim Hockey ja nicht entscheidend, und dass zwei Spielerinnen des Gegners den Ball beim Warmspielen vom Schusskreisrand unter die Latte nagelten, bringt sie im Spielaufbau auch erstmal nicht weiter.

Was sich entwickelte war ein – ich muss es so formulieren – überragendes B-Mädchen-Spiel auf beiden Seiten, dass sogar Ralf viele positive Aussagen entlockte. Dass wir am Ende mit 3:0 gewannen, war sicherlich in der Höhe ein wenig glücklich, aber keinesfalls unverdient.
Deutlicher Wehrmutstropfen der Geschichte war allerdings Julias Muskelfaserriss in der Wade; sollte allerdings auch nicht die einzige Verletzung des Trainingslagers bleiben; die zweite zog sich meine Tochter zu; beim Wettlaufen um ein Eis.
Glücklicher Weise war sie rechtzeitig zum gemeinsamen Essen mit Rot-Weiß aus dem Krankenhaus zurück; immerhin gab es Nudeln mit Bolognese.
Ausklingen lassen haben wir dann diesen Abend auf dem Aussichtspunkt „KölnTriangle“, von wo aus man aus 100m Höhe einen 360 Grad Blick über Köln erfährt.

Wobei ausKLINGEN lassen haben es dann eigentlich die Mädels später auf dem Flur der Jugendherberge: Alicia Keys – Girl on fire. Vollgas. Zum Glück hat man die Bluetooth Box aber kaum gehört, weil sie locker von der grölenden Menge übertönt wurde. Dies brachte uns zu folgender philosophischer Frage: Wenn ab 22 Uhr Nachtruhe herrscht, darf man dann bis kurz vorher machen was man will? Laut der Einschätzung einiger anderer Gäste: tendenziell eher nein. Davon abgesehen verlief die Nacht ohne besondere Vorkommnisse; sprich: fast alle haben geschlafen

Der Donnerstag stand dann komplett im Fokus des Sports. 7:30 Frühstück, 9:00 bis 11:00 Uhr zwei Stündchen Training, danach ein gemütliches Trainingsspielchen und nachmittags nochmal zwei entspannte Stunden Training. Die letzte Einheit allerdings nur für Trainingsgruppe 1 verpflichtend, während die Kinder der zweiten Trainingsgruppe selber entscheiden konnten, wer mitmachen wollte. Eine Maßnahme, die in erster Linie zu lautstarken Unmutsbekundungen der Pflichtkinder führte und in zweiter Linie einige überraschende Teilnehmer der Freiwilligen-Fraktion hervorbrachte. Aber da ja selbst uns klar war, dass der Tag (und die davor) bereits anstrengend war, beschränken wir uns auf ein reines Spaß-Training. Hockey-Tennis, Ball hochhalten, Volley aufs Tor nageln sowie Argentinische Rückhand; nur Dinge, die Bock machen. Theoretisch. Praktisch schleppte sich eine meuternde Meute derart theatralisch über den Platz, als wären sie gerade in Moses Reisegruppe aus der Wüste gekommen. Da allerdings selbst die Zwillinge murrten, schickten wir den Haufen bereits nach einer Stunde in den unverdient frühen Feierabend. Zur Strafe gab es zum Abendessen aber wenigstens Nudeln mit Tomatensoße.

Der Freitag bot dann aufgrund der anstehenden Rückreise nur noch ein Training für Gruppe 2 sowie ein Spiel in Leverkusen für Gruppe 1. Wobei wir zur Anreise in Kölns Vorort 2 Optionen hatten: eine Stunde öffentlich oder 20 Minuten mit dem Auto. Wir entschieden uns somit für 2 Großraumtaxen, was für einen Großteil des Kaders offensichtlich das Highlight der gesamten Reise darstellte.
Das Spiel selber verlief dann recht unspektakulär, was wir mit der öffentlichen Rückfahrt zum Bahnhof problemlos kompensieren konnten.
Ralf: „Möchtest du jetzt wirklich mit den Mädels und ihrem gesamten Gepäck zur S-Bahn laufen?!“
Ich: „Klar! 1,6 Kilometer. Das schaffen die doch im Schlaf!“
Ralf: „Die weibliche U14 hat den Fußweg als recht beschwerlich beschrieben“
Ich: „Ach! Weibliche U14. Das sind halt alles Waschlappen!“

Und was soll ich sagen? Diese Einschätzung war komplett richtig. Also die, der weiblichen U14; nicht meine. Verliefen die ersten 300 Meter bei gefühlten 45 Grad im Schatten noch relativ entspannt, führte uns der Weg die folgenden 1,2 Kilometer über einen Feldweg. Und so ein Feldweg ist gar nicht so sehr für die Benutzung von Rollkoffern ausgelegt, wie man jetzt meinen könnte. Doch ich kann einen ganz aufrichtigen Respekt an die Mädels aussprechen, die sich hier gegenseitig unterstützen, Taschen auf Rollkoffer stapelten und sich mit dem Ziehen abwechselten. Auch hier: sensationelle Teamleistung!

Somit habe ich es ihnen dann auch nicht mehr übelgenommen, dass sie schließlich im ICE ein klein wenig über die Stränge schlugen. Tragisch war eigentlich nur die Situation, dass wir ca. 95% das Wagons für uns hatten, was einerseits dazu führte, dass sich ein „hier sind wir ja unter uns; da kann man machen, was man will“-Gefühl einstellte und es andererseits doch 5% Unschuldige traf.
Aber ganz insgesamt muss ich allen Kindern und ihren jeweiligen Erziehungsberechtigten ein großes Kompliment aussprechen. Trotz der Größe von 31 Teilnehmern war es eine extrem angenehme Reisegruppe. Wir musste nie Angst haben, dass sich zwei bei Spaßrangeleien auf dem Bahnsteig versehentlich vor den einfahrenden Zug schubsen, jemand seinen Ein- oder Ausstieg verpennt oder aus reiner Neugier einfach mal in die komplett falsche Richtung losrennt. Kurzum: Mit der Truppe ziehe ich gerne wieder los. Und wer mag, darf mich dafür gerne für bekloppt halten.

Schammes